Wiederentdeckung eines Kulturschatzes der Stadt Wiener Neustadt
Im Rahmen der von Dr. Werner Sulzgruber auf dem jüdischen Friedhof durchgeführten
Untersuchungen kam es 2007 zu einer sensationellen Entdeckung.
Bei einer Bestandsaufnahme waren dem Historiker zwei Grabsteine auf dem Gelände
aufgefallen, die nicht neuzeitlich waren bzw. älteren Datums sein mussten. Auf Basis
von weiteren Nachforschungen kamen drei weitere Grabsteine mit hebräischen Inschriften
zu Tage.
Der historische Hintergrund
1862 waren im Süden der Stadt Grabsteine gefunden worden, allerdings nicht auf dem
Areal des mittelalterlichen Friedhofs, sondern im Bereich des „Neunkirchner Tores“,
also einem Abschnitt der mittelalterlichen Stadtbefestigung, die zu dieser Zeit
geschliffen wurde. Die Grabsteine, die als Baumaterial gedient hatten und auf die
Jahre 1262, 1274, 1341, 1346 und 1551 datiert wurden, kamen auf eine Lagerstätte
(vermutlich auf den sog. „Stadthof“) und das Exemplar von 1262 in Privatbesitz.
Nach der Errichtung des „neuen“ jüdischen Friedhofs im Jahr 1888/89 waren die vier
übrigen Grabsteine dorthin gebracht worden und in Vergessenheit geraten – obgleich
sie noch 1927, dann aber zum letzten Mal, im Buch von Max Pollak über die „Juden
in Wiener Neustadt“ erwähnt worden waren.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts geriet das Wissen über den Standort dieser mittelalterlichen
Grabsteine in Vergessenheit. Sie überdauerten die dunkle Zeit des „Anschlusses“,
der „Reichskristallnacht“ und sogar die Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs. Wie
durch ein Wunder überstanden sie die intensive Bombardierung der Militär- und Rüstungsstadt,
obwohl der Friedhof in unmittelbarer Nähe der Industrieanlagen im Norden der Stadt
lag.
Trotz der Zerstörung der jüdischen Gemeinde 1938 blieben die Grabsteine dort und
wurden offenbar nicht weiter beschädigt. Allerdings fielen drei der Steine um und
verschwanden im Laufe der Zeit nahezu im Boden.
Hatten Mitglieder der jüdischen Gemeinde vor 1938 die Grabsteine absichtlich umgelegt,
um die wertvollen Inschriften wenigstens bis zu einem gewissen Grad zu schützen?
Oder waren einige der Steine durch Einwirkungen der Natur umgefallen und allmählich
in der Erde versunken?
Wiederentdeckung 2007
Nach dem ersten „Aktionstag“ in Wiener Neustadt, der im April 2007 von Dr. Werner
Sulzgruber organisiert worden war und bei dem Bäume und Sträucher abgesägt, der
Grünwuchs massiv zurückgeschnitten, der Friedhof gereinigt und alle Grabsteine freigemacht
wurden, wurde mit genaueren Untersuchungen am jüdischen Friedhof begonnen.
Nach Auskunft der IKG Wien, dass „keinerlei Aufzeichnungen über den Wiener Neustädter
Friedhof“ aufliegen würden, also keine Situationspläne, kein Liegeplan und keine
Daten über die Bestatteten vorhanden wären, war klar, dass für Wiener Neustadt eine
grundlegende Erforschung notwendig und damit ein erheblicher Arbeitsaufwand entstehen
würde.
Um einen ersten Überblick zu erhalten, wurde der Friedhof von Dr. Sulzgruber hinsichtlich
seines Ist-Zustandes beleuchtet und eine erste Bestandsaufnahme vorgenommen. Im
Laufe der Untersuchung nahm er zwei Grabsteine auf, die – nach deren Inschriften
zu schließen – aus dem Mittelalter stammten. Ein Stein lehnte aufrecht an der Nordmauer,
der zweite stand hinter Buschwerk an der Südmauer und war mit anderen Steinteilen
fixiert.
Grabstein 1: 1268
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Auffindungsstelle: Nordmauer, Kleine Allee, östlich
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Grabstein 5: 1684 (?)
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Auffindungsstelle: Südmauer, Torweg
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Zur Bestätigung wurde von Dr. Sulzgruber der Direktor des jüdischen Museums Eisenstadt
und ein ausgewiesener Experte in Sachen hebräischer Inschriftenkunde, Mag. Johannes
Reiss, hinzugezogen, der den Steinfunden ein ähnliches Alter wie jenen im Stadtpark
(Schubertweg) zuschrieb.
Aufgrund dieser Nachricht wurde das Gelände – auch im Hinblick auf die Vorarbeiten
zur technischen Vermessung des Areals – noch einmal von Dr. Sulzgruber genauer unter
die Lupe genommen. Dem folgte eine erste Literaturrecherche über mittelalterliche
Grabsteine in Wiener Neustadt. Anhand von Luftbildern und deren Analyse ließ sich
das alte Wegenetz auf dem Friedhof vollständig rekonstruieren.
Da sich der jüdische Friedhof auf dem sogenannten „Steinfeld“ befindet und hier
kaum Steinplatten oder Felsen vorzufinden sind, fielen dem Historiker zwei ungewöhnliche
Steine bzw. Steinplatten an der Nordmauer auf. Ein Grabstein, noch dazu der größte
von allen, ruhte unter Steinbrocken, Schutt und Verwuchs an der Südmauer – dem Auge
entzogen. Die nun als mögliche Platten sichtbar gewordenen Steinteile oder -flächen
wurden von ihm vorsichtig freigemacht.
Es zeigte sich, dass sich Steine im Erdreich etwa gegenüber den an der Mauer angelehnten
beiden Grabsteinen (1, 5) befanden. Dies ließ den Schluss zu, dass es sich bei den
in der Erde liegenden Steinen, der „Symmetrie des Ortes“ folgend, um Grabsteine
handeln könnte. Sie schienen eine bearbeitete Form aufzuweisen und die Rückseiten
von Grabsteinen zu sein.
Nun mussten diese Steine angehoben werden, um untersucht werden zu können. Die Stadtgemeinde
Wiener Neustadt, allen voran Mag. Sinabell (Dienststellenleiter des Wirtschaftshofs),
unterstützte die weitere Vorgangsweise, indem am 21. Mai Arbeiter und ein LKW mit
Greifer zur Verfügung gestellt wurden. In Anwesenheit von Diplomingenieur Robert
Pfleger kam es zur Hebung von zwei Steinen durch Mitarbeiter des Wirtschaftshofes.
Diese konnten aufgrund hebräischer Schriftzeichen sofort als Grabsteine (2, 3) identifiziert
werden. Wenige Tage später, am 25. Mai, erfolgte die Hebung des letzten Steines,
ebenfalls eines Grabsteins (4).
Grabstein 2: 1341
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Auffindungsstelle: Nordmauer, Kleine Allee, westlich
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Grabstein 3: 1346
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Auffindungsstelle: Südmauer, Kleine Allee
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Grabstein 4: 1551 (?)
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Auffindungsstelle: Nordmauer, Torweg
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Die besondere Überraschung lag nun darin, dass letztlich insgesamt fünf mittelalterliche
jüdische Grabsteine sichergestellt werden konnten: Drei Grabsteine mit hebräischen
Schriftzeichen wurden so – zu den zwei stehenden – nach Jahrzehnten des Vergessens
ans Licht gehoben. Dass sich ein fünfter Grabstein ebenso an diesem Ort befand,
ist deshalb besonders überraschend, weil keine historische Quelle darüber Auskunft
gibt. Die letzte greifbare Information über den Verbleib der 1862 entdeckten Grabsteine
stammt aus dem Jahr 1927, wo erwähnt wurde, dass vier der Grabsteine auf den neuen
jüdischen Friedhof gekommen seien. Dieser war 1888/89 errichtet worden. Insofern
mussten die genannten vier Grabsteine erst danach ihren Weg dorthin gefunden haben.
In allen späteren einschlägigen wissenschaftlichen Aufsätzen und Arbeiten wurden
einzelne dieser Grabsteine zwar noch erwähnt, aber den Autoren war es nicht möglich,
den Standort derselben zu eruieren.
Zur Sicherstellung weiterer Dokumentationsschritte wurde eine Grobreinigung aller
Steine vor Ort durchgeführt und eine Fotoserie anfertigt. Zum Zweck der Einbeziehung
aller Verantwortlichen wurden die IKG Wien und entsprechende Abteilungen des Magistrats
Wiener Neustadt über den bestehenden Sachverhalt informiert.
Zum Schutz der Grabsteine wurde die Öffentlichkeit bewusst nicht über die Funde
in Kenntnis gesetzt.
Bedeutung und kultureller Wert der Grabsteine
Wie sich im Rahmen der Expertise von Mag. Johannes Reiss zeigte, handelt es sich
um einen kulturgeschichtlich wichtigen Fund. Die Grabsteine sind eine Bereicherung
für die bestehenden Kulturschätze der Stadt und des Landes Niederösterreich. Steine
dieser Art und dieses Alters sind überhaupt sehr selten. Die Anzahl mittelalterlicher
Grabsteine ist in Österreich äußerst gering und daher jeder Fund eine Sensation.
Solche Kulturgüter, vor allem dieses Wertes, müssen selbstverständlich unbedingt
geschützt werden. Auf Initiative von Dr. Sulzgruber wurde eine Sicherung und Restaurierung
durchgeführt. Nur durch das Zusammenwirken und die Kooperation einzelner Institutionen,
wie der Stadt Wiener Neustadt (Kulturamt, Referat für Archiv, Museum und Denkmalpflege,
Wirtschaftshof, Bauamt), der Kultusgemeinde Wien und des Bundesdenkmalamts, konnte
das Ziel der Restaurierung und Aufstellung erreicht werden. Über zwei Jahre dauerte
die Suche nach Fördermitteln, die Durchführung der Restaurierungen sowie die Planung
und Umsetzung der Aufstellung.
Herr Regierungsrat Norbert Koppensteiner, der ehemalige Direktor des Stadtmuseums
Wiener Neustadt, seine Nachfolgerin, Frau Mag. Eveline Klein, und Gemeinderat Martin
Weber setzten wichtige Schritte, sodass die Renovierung und Aufstellung der Grabsteine
realisiert werden konnten. Mag.
Christian Gurtner, akademischer Restaurator und Bildhauer, zeichnete für
die Restaurierungsarbeit verantwortlich. Mag. Reiss transkribierte die Inschriften
und datierte die Grabsteine.
Nur das koordinierte Miteinander einzelner Personen ermöglichte letztlich die Präsentation
der wiederentdeckten Grabsteine für eine breite Öffentlichkeit. Wiener Neustadt
beherbergt damit ein weiteres kulturgeschichtlich interessantes und kostbares Kulturgut
– mit dem ein Blick über hunderte von Jahren zurück in eine längst vergangene Zeit
möglich ist. Diese Grabsteine verweisen auf die Existenz einer großen jüdischen
Gemeinde im Mittelalter.
Nach den Hinweisen von Max Pollak aus dem Jahr 1927 sollte der zweitälteste jüdische
Grabstein, der je in Wiener Neustadt gefunden wurde (1274), dabei sein. Doch dem
ist nicht so. Gleichwohl ist tatsächlich der zweitälteste jüdische Grabstein, der
je in Wiener Neustadt gefunden wurde, dabei, aber er stammt aus dem Jahr 1268. Der
einst auf das Jahr 1274 datierte Stein ist nicht mehr aufzufinden, allerdings sind
drei Steine mit jenen der letzten Nennung von 1927 ident: 1341, 1346 und 1551.
- Grabstein 1: 1268
- Grabstein 2: 1341
- Grabstein 3: 1346
- Grabstein 4: 1551 (?)
- Grabstein 5: 1684 (?)
Die für die Jahre 1551 und 1684 datierten Grabsteine bedürfen ebenso einer besonderen
Betrachtung, weil keine Belege vorliegen, die eine Existenz eines jüdischen Friedhofes
für das 16. und 17. Jahrhundert bestätigen würden.
Erst Anfang des 18. Jahrhunderts lebten über fünfhundert Juden in Wiener Neustadt
und vielleicht befand sich damals auch eine Begräbnisstätte an diesem Ort. Die Stadt
hob ein sogenanntes „Judengeld“ als Abgabe ein, später den „Judengroschen“. 1713
wurden Juden aus der Stadt ausgewiesen.
Der Stil der Inschrift des Grabsteins Nr. 4 ist, abgesehen von der Schlussformel,
ähnlich jenem des 17. und 18. Jahrhunderts. Pollak meint: „Der Stil der Inschrift
… wäre wohl geeignet, die Herkunft des Grabsteines aus einer Übergangszeit zwischen
zwei Stilgattungen, zwischen dem 13. bis 15. Jahrhundert einerseits und dem 17.
Jahrhundert andererseits zu bestätigen.“ (Pollak S. 112)
Der Grabstein aus dem Jahr 1346 belegt, dass die Verfolgungen während der Pestjahre
(1348/49) sowie in der Zeit der Naturkatastrophen und Hungersnöte in der Mitte des
14. Jahrhunderts in Europa offensichtlich auch in Wiener Neustadt ihre Spuren hinterlassen
haben könnten. Der in der Inschrift des Grabsteins Nr. 3 genannte Simcha wurde erschlagen,
weil er seinem Glauben nicht abschwören wollte („weil er nicht frevelte mit seinen
Händen“). Außergewöhnlich ist der klar zum Ausdruck gebrachte Wunsch, dass dessen
Tod bald gerächt werde.
Datierung
Mag. Johannes Reiss nahm die Datierungen 2007/08 zuerst anhand von Fotografien und
nach der Sanierung im Winter 2008/09 dann endgültig im Herbst 2009 vor. Seine Transkriptionen
und Anmerkungen zur Datierung und zu den jeweiligen Inschriften sind auf der Website
des Österreichischen Jüdischen Museums (ÖJM) nachzulesen:
Eine detaillierte Gesamterfassung alle jüdischen Grabsteine, die in Wiener Neustadt
gefunden wurden, ist in der folgenden Publikation zu finden:
Sulzgruber, Werner: Das jüdische Wiener Neustadt. Geschichte und
Zeugnisse jüdischen Lebens. Wien: Mandelbaum 2010.
Wichtige Entwicklungsschritte 2007-2009
Seit 2007 wurde die Gesamtkoordination von Dr. Werner Sulzgruber durchgeführt. Dieser
war Initiator für die weiteren Maßnahmen und forcierte die Sanierung und Aufstellung
der gefundenen Grabsteine.
Juni 2007
Begehung des Areals: Am 1. Juni 2007 wurden die Grabsteine, nachdem ihre Herkunft
aus dem Mittelalter von Mag. Reiss bestätigt worden war, von Vertretern der Stadtgemeinde
in Augenschein genommen (Mag. Siedl, Kulturstadträtin, Dir. Koppensteiner, Referatsleiter
Museum, Archiv und Denkmalpflege, Dr. Geissl, stv. Kulturamtsleiter) und die IKG
als Eigentümerin des Friedhofes (konkret MMag. Schärf, Jüdische Gemeinde Baden bei
Wien) über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt.
Juli 2007
Besprechung mit Bürgermeister Bernhard Müller: Bgm. Müller wurde von Dr. Sulzgruber
über den Fund in einem Gespräch informiert. Hierbei wurden gemeinsam mit Referatsleiter
Koppensteiner Ideen der Präsentation, Möglichkeiten der Stadt Wiener Neustadt und
weitere Vorgangsweisen geklärt. Bgm. Müller sagte seine volle Unterstützung und
die Übernahme eines entsprechenden Kostenanteils (Sanierung, Aufstellung) zu.
Nach ersten „zaghaften“ Absprachen zwischen der IKG, dem Bundesdenkmalamt und der
Stadt Wiener Neustadt kam es aber in den folgenden Monaten zum Stillstand. Grund
dafür waren Unklarheiten bzgl. des weiteren Vorgehens und der Finanzierung. Die
Stadtgemeinde bot an, den Abtransport aller fünf Grabsteine unentgeltlich durchzuführen.
Jene sollten in einem städtischen Depot aufbewahrt werden, bis die Restaurierung
durchgeführt würde. Die IKG lehnte den Abtransport ab, da sie den Verbleib auf dem
Friedhof wollte. Folglich mussten die Steine ungeschützt überwintern.
April 2008
GR Martin Weber, Leiter der Immobilienabteilung des Stadt Wiener Neustadt, sagte
seine Unterstützung bzgl. des jüdischen Friedhofs zu. Um den gesamten Ist-Zustand
und erforderliche Maßnahmen der Sanierung auf dem jüdischen Friedhof Wiener Neustadt
sehen und abschätzen zu können, wurde von Dr. Werner Sulzgruber ein „Zustands-,
Pflege- und Sanierungsbericht“ erstellt. Dies ist ein von unabhängiger Stelle und
auf wissenschaftlicher Basis zusammengestellter Gesamtbericht über den jüdischen
Friedhof von Wiener Neustadt (inklusive einer Fotodokumentation).
Die vorgenommene Beleuchtung unterschiedlichster Aspekte (wie Gebäude, Mauerwerk,
Bepflanzung, Wege etc.) erlauben einen Vergleich mit den Ergebnissen/Inhalten im
sog. „Weißbuch der IKG“ (v. Mag. Tina Walzer). Auf Grundlage dieses Berichts konnten
und können sich alle involvierten Institutionen (Stadtgemeinde, IKG, BDA) und Entscheidungsträger
ein klares Bild über den Ist-Zustand des jüdischen Friedhofs und sämtlicher nötiger
Maßnahmen machen. GR Weber sagte zu, einzelne Sanierungsschritte durchzuführen,
die einer besseren Erhaltung des jüdischen Friedhofs dienen.
Juni 2008
Nachdem das BDA NÖ eine Zusage über einen Finanzierungsbeitrag gegeben hatte, wurde
in einer Besprechung, an der Referatsleiter Koppensteiner, Kulturamtsleiter Prof.
Pinczolits und Dr. Sulzgruber teilnahmen, festgehalten, dass die Stadtgemeinde den
Großteil der Finanzierung der Restaurierung übernähme, wenn auch die IKG einen Beitrag
leistet.
November 2008
Anlässlich einer Veranstaltung im Palais Epstein in Wien übergab Dr. Sulzgruber
eine Informationsmappe an Präsident Ariel Muzicant mit der Bitte um Unterstützung
und Einleitung notwendiger Maßnahmen seitens der IKG Wien.
Dezember 2008
Zusage der IKG über Kostenbeteiligung
Auftragserteilung an dem akademischen Restaurator Mag. Gurtner
Abtransport der Grabsteine von Mag. Gurtner (blaue Jeans) und einem
Mitarbeiter (blaue Kappe) mit Unterstützung von Referatsleiter Koppensteiner:
Die Sanierung erfolgte nach modernsten Maßstäben:
Phase A: Reinigung (z. B. Entfernung von Moosen,…)
Phase B: Durchführung von Verklebungen
Phase C: Durchführung von Ergänzungen bzw. Schließungen (zur Verhinderung des Eindringens
von Wasser u. a.)
Jänner 2009
Zusage der IKG über Kostenbeteiligung
Besuch von Dr. Sulzgruber im Atelier Gurtner, Wien
Besichtigung der Ergebnisse der ersten Sanierungsschritte
Überlegungen für Konzepte der Aufstellung der Grabsteine
Februar 2009
Treffen, Büro der IKG Wien
Mag. Fastenbauer (Generalsekretär der IKG Wien), GR Martin Weber (Immobilienabteilung),
Prof. Franz Pinczolits (Kulturamtsleitung) und Dr. Sulzgruber (Koordination)
Abklärung offener Fragen und Aspekte zu den weiteren Vorhaben auf dem jüdischen
Friedhof von Wiener Neustadt
März 2009
Im März 2009 kam es zum Zusammentreffen aller Verantwortlichen auf dem jüdischen
Friedhof. Anwesend waren Vertreter der Stadtgemeinde, der IKG und des BDA, also
Entscheidungsträger aus allen Bereichen. Damit wurde dieses Treffen zum zweifellos
wichtigsten sowohl im Zusammenhang mit der Aufstellung der fünf mittelalterlichen
Grabsteine als auch mit der Erhaltung und Sanierung des jüdischen Friedhofs von
Wiener Neustadt.
Die hier getroffenen Entschlüsse wurden in einem Protokoll erfasst und betrafen
unter anderem folgende Punkte:
- Auswahl des Platzes für
die Aufstellung
- Einzelne Sanierungsmaßnahmen,
die auf dem jüdischen Friedhof durchgeführt werden müssen und unterschiedlichste
Bereiche betreffen (z. B. Zugangstor, Innenzaun, Einfriedungsmauer), wurden – als
Orientierung und gemeinsam befürwortet – festgelegt.
- Eine „sanfte Öffnung“
des jüdischen Friedhofs und seine Etablierung als „Lern- und Gedenkstätte“ wurden
ausdrücklich gutgeheißen und von allen Verantwortlichen unterstützt.
Im von Mag. Gurtner überarbeiteten Konzept wurde die folgende Bauvariante festgelegt:
- Betonsockel (geschalt-glatt
oder Putz) mit Ausnehmungen
- Zwei Seitenhalterungen
(I-Trägern) pro Grabstein [Seitenabstand zum Stein mind. 10 cm]
- Fixierung einzelner Grabsteine
[solche mit vorhandenem Sockelteil = Stein Nr. 1, 2, 3, 5] in den Ausnehmungen mittels
eingefülltem Gräder-Material
- Fixierung des Grabsteins
ohne Sockelteil [= Stein Nr. 4] nur mittels Metall-Laschen
- Seitliche Fixierung aller
Steine mit Metall-Laschen
- Überdachung mit Glas
- Beschilderung mit Hilfe
von Messing-Metalltafeln (eingeritzte Übersetzung)
Zweites Konzept von Mag. Gurtner
Foto: Photomontage, Atelier Gurtner, Wien
Im Hinblick auf die Ergebnisse der Datierung wurde von Dr. Sulzgruber eine andere
Reihenfolge vorgeschlagen und letztlich die Aufstellung der Grabsteine unter Berücksichtigung
ihrer Datierung realisiert, was angesichts der Steingrößen auch ein optisch ansprechenderes
Gesamtbild ermöglichte.
Sanierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen (Protokollauszug):
- Innerer Zaun: Sockelmauerwerk
wird durch Betonkosmetik ergänzt und die Zaunfelder komplett erneuert
- Inneres Tor: doppelflügelig,
schließbar bzw. gängig machen
- Baumschnitt: wird, wie
bisher, laufend durch die Stadt durchgeführt
- Mauer: äußere Begrenzungsmauer
(Bruchsteinmauerwerk) – heruntergefallene Steine dürfen wieder angebracht werden
und mit Beton, nach optisch gefälliger Art, befestigt werden
- Torsockel im äußeren Eingangsbereich:
es genügt eine neuer Anstrich
Juli-September 2009
Herstellung der Rückwand, des Sockels und der Dachkonstruktion durch das Bauamt
Wiener Neustadt
Aufstellung und Fixierung der sanierten Grabsteine durch Mag. Gurtner
Oktober 2009
Zweiter „Aktionstag“
November 2009
Offizielle Präsentation der Grabsteine am 19. November 2009 am jüdischen Friedhof
Wiener Neustadt, Wiener Straße 95
Nach zweieinhalb Jahren wurde am 19. November 2009 der wiederentdeckte Kulturschatz
aus dem Mittelalter der Öffentlichkeit präsentiert.
Auf politischer Ebene gaben Bürgermeister Bernhard Müller und Kulturstadträtin Isabella
Siedl angesichts der Besonderheit des Fundes und seines Wertes für die Stadt Wiener
Neustadt sofort grünes Licht. Für das Gelingen des Projekts war in Folge die Unterstützung
von folgenden Personen wichtig: Gemeinderat Martin Weber (ehem. Leiter der Immobilienabteilung),
Professor Franz Pinczolits (Leiter des Kulturamtes), Reg.Rat Norbert Koppensteiner
(ehem. Leiter des Stadtmuseums), Mag. Eveline Klein (Referatsleiterin Archiv, Museum
und Denkmalpflege), Mag. Raimund Fastenbauer (Generalsekretär der Israelitischen
Kultusgemeinde Wien), DI DDr. Schicht (Bundesdenkmalamt Niederösterreich) und Mag.
Johannes Reiss (Direktor des Österreichischen Jüdischen Museums, Eisenstadt).
Durch eine gemeinsame Finanzierung seitens der Stadtgemeinde Wiener Neustadt, der
Israelitischen Kultusgemeinde Wien und des Bundesdenkmalamtes Niederösterreich konnte
die notwendige Restaurierung durch den Fachmann Mag. Christian Gurtner realisiert
werden und letztlich auch die Aufstellung der wertvollen Grabsteine – in Form einer
Installation an der Nordmauer des jüdischen Friedhofs – Wirklichkeit werden.
Präsentation der Grabsteine ÖJM